25. Januar 2022
Kein grünes Licht für Kampfdrohnen!
Wir fordern ein Nein zur Drohnenbewaffnung.
Am 28. und 29. Januar 2022 fand die Bundesdelegiertenkonferenz von „Bündnis 90/Die Grünen statt“. Mehr als 1.550 Protestmails wurden von Friedensbewegten an die neuen Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang sowie die Außenpolitiker*innen Sara Nanni und Jürgen Trittin geschickt wurden - und haben leider nicht zu einem Erfolg für die Friedensbewegung geführt. Mit 335 zu 245 Stimmen wurde der Antrag, der sich gegen die Anschaffung von Kampfdrohnen positionierte, abgelehnt. Dieses Ergebnis ist natürlich sehr enttäuschend.
Kommen Drohnen? Und wenn ja, unter welchen Umständen?
Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sagt dazu:
"Unter verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten werden wir daher die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr in dieser Legislaturperiode ermöglichen. Bei ihrem Einsatz gelten die Regeln des Völkerrechts, extralegale Tötungen – auch durch Drohnen – lehnen wir ab."
Auch wenn es derzeit nicht so aussieht, als ließe sich die Anschaffung der Bundeswehr-Kampfdrohnen jetzt noch verhindern, so werden wir dennoch alles daran setzen, dass zumindest diese Auflagen nicht überschritten werden.
Vorschau E-Mail-Text
[Hier wird der Name der Empfängerin/des Empfängers automatisch eingefügt]
ich bin besorgt aufgrund der im Koalitionsvertrag getroffenen Festlegung zur Anschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr und möchte Sie bitten, sich auf der bevorstehenden Bundesdelegiertenkonferenz am 28. und 29. Januar 2022 gegen Kampfdrohnen auszusprechen.
Im vergangenen Jahr hat sich Ihr Parteitag mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen, die Bewaffnung von Drohnen zu ermöglichen. Der Einsatz solle jedoch beschränkt sein „auf solche Situationen […], in denen Streitkräfte im Einsatz oder Zivilist*innen in ihrer Sicherheit bedroht sind“. Wie solche Situationen festgestellt werden und ob dann bewaffnete Drohnen das geeignete Mittel der Verteidigung sind, sind aus meiner Sicht schwer zu beantwortende Fragen. Einsatzregeln können geändert und umgangen werden, wie Beispiele anderer Armeen beim Einsatz von bewaffneten Drohnen immer wieder zeigen. Dies hat zu hohen Zahlen von zivilen Opfern geführt. Der Schaden an der Zivilbevölkerung ist aller bisherigen Erfahrung nach eher ein elementarer Bestandteil der Drohnenkriegsführung als eine bedauerliche Ausnahme. Mir sind zudem keine Beispiele bekannt, in denen bewaffnete Drohnen das Leben von deutschen Soldat*innen gerettet haben oder hätten retten können.
Im Sinne der von Ihrer Partei vorangetriebenen feministischen Außenpolitik, die die Perspektive der betroffenen Zivil*istinnen einzunehmen versucht, sollten die massiven psychischen Belastungen für Menschen in den Einsatzregionen durch die permanente und unkontrollierbare Bedrohung ein wichtiges Argument gegen die Bewaffnung sein.
Letztendlich kann der Schritt vom unbemannten bewaffneten Luftfahrzeug zur autonomen tödlichen Waffe zu einer Frage der Installation einer neuen Software werden. Inwieweit in Zukunft Entscheidungen von realen Menschen mit Abwägung von Verhältnismäßigkeit, Kriegsvölkerrecht und Ethik getroffen werden können, ist fraglich. Schwächen der autonmatischen Bilderkennung und automatisierte Abläufe unter großem Zeitdruck werden auch in Zukunft zu vielen tödlichen Fehlern führen. Der Begriff der bedeutsamen menschlichen Kontrolle und verwandte Begriffe werden kontrovers diskutiert. Umfangreiche Ausführungen dazu finden sich z.B. im Bericht des Ausschusses für Technikfolgenabschätzung vom 21.10.2020 (https://dserver.bundestag.de/btd/19/236/1923672.pdf).
Zuletzt bitte ich Sie zu bedenken, dass die Schwelle, Kriege zu führen, durch Drohnen massiv heruntergesetzt wird. Das Risiko für die Drohnen-einsetzende Armee ist geringer als die Benutzung bemannter Luftkräfte und das könnte zu vermehrten Einsätzen führen. Das wiederum kann eine Eskalation in Gang setzen. Zudem wird die Bereitschaft zur Kooperation bei der betroffenen Bevölkerung nicht gefördert, wenn sie sich Kampfdrohnen hilflos ausgeliefert fühlen. Das kann eine friedliche Entwicklung behindern.
Aus diesen Gründen bitte ich Sie, sich dafür einzusetzen, dass von der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen ein Impuls zur Änderung des Kurses in der Kampfdrohnendebatte ausgeht und entsprechenden Anträgen zugestimmt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Bitte senden Sie Ihre Antwort an meine Mailadresse [Hier werden deine Angaben automatisch eingefügt.].
Fragen und Antworten / Hintergrund
Am 28. und 29. Januar findet die Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90 / Die Grünen statt. Dort gibt es die wahrscheinlich letzte Möglichkeit, die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr zu verhindern.
Die Bewaffnung von Drohnen wurde in den Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen aufgenommen, jedoch gibt es weiterhin zahlreiche Stimmen in den Parteien, die gegen eine Bewaffnung sind.
Für die Bundeswehrsoldat*innen gibt es aktuell keine erhöhte Gefahr bei den Auslandseinsätzen. Seit 2013 sind keine Bundeswehrsoldat*innen durch Feindangriffe in Afghanistan getötet worden. In Mali gab es zwei Todesfälle durch einen Bundeswehr-Hubschrauber-Unfall 2017. Ein Bundeswehreinsatz mit Kampfdrohnen insbesondere in Ländern, wo diese Waffen verhasst sind, würde sogar das Risiko mit sich bringen, Misstrauen und Wut gegen die Bundeswehr zu schüren und so die Gefahren für deutsche Soldat*innen zu steigern. Außerdem müssen militärische Drohnen in den Einsatzländern von Soldat*innen geschützt werden und bringen diese dadurch erst in Gefahr. Der beste Schutz deutscher Soldat*innen ist die zivile diplomatische Lösung von Konflikten und damit eine Vermeidung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr.
Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) weist darauf hin, dass der bisherige Einsatz von Kampfdrohnen in bewaffneten Konflikten in vielen Fällen völkerrechtswidrig ist. Oft finden sie über fremdem Staatsgebiet statt und nicht im Rahmen eines UN-Mandates. Grundlage ist häufig eine Überdehnung der Begründung mit dem Selbstverteidigungsrecht gegen den Angriff eines anderen Staates. Die Unterscheidung von Kombattant*innen und Nicht-Kombattant*innen ist unsicher, was zu hohen zivilen Opferzahlen beiträgt. Die Grundlagen für die Auswahl von Tötungszielen werden nur selten und dann erst nachträglich bekannt gemacht und gerichtlich nicht überprüft.
Die Befürworter*innen bewaffneter Drohnen behaupten dieses, weil die Kampfdrohnen präziser seien als herkömmliche Waffensysteme wie Flugzeuge oder Mörser. Allerdings gibt es immer wieder zivile Opfer bei Drohnenangriffen. Das "Bureau of Investigative Journalism" geht davon aus, dass seit dem Jahr 2004 zwischen 700 und 1.700 Zivilisten bei solchen Angriffen getötet wurden - bis zu 400 davon Kinder. Zivile Opfer von Drohnenangriffen bzw. ihre Angehörigen sollten daher bei der Debatte über die Bewaffnung von Drohnen einbezogen werden.
Neben den direkten Verletzungen und Tötungen verursachen Drohnenangriffe Leiden bei den Angehörigen, vernichten materielle Existenzgrundlagen, zerstören Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, lähmen das gesellschaftliche Leben. Zudem sind in einer Reihe von Untersuchungen psychische Folgen nachgewiesen worden: Ängste, Schlafstörungen, Depressionen, psychosomatische Beschwerden, posttraumatische Symptome. Diese traten auch bei den Menschen auf, die nicht körperlich verletzt wurden, aber unter ständiger Überwachung und Bedrohung aus der Luft litten.
Drohnen ermöglichen Tötungen mit wenig Risiko für die Angreifer; damit senken sie die Schwelle, an der Spannungen in einen Krieg eskalieren. Die Bereitschaft, auf zivile Lösungen zu setzen, wird dagegen sinken, wenn der scheinbar risikolose Einsatz möglich ist. Diplomatie, Verhandlungen, Kompromissbereitschaft, der Versuch, Gegner durch gute Zusammenarbeit zu gewinnen, stehen zurück.
Mit Drohnen beschreitet die militärische Aufrüstung einen entscheidenden Schritt über die Fernsteuerung in die Automatisierung des Tötens und in Richtung autonomer Kriegsführung. Aufgrund der derzeitigen Praxis des Drohneneinsatzes durch die USA, Israel, Großbritannien und weitere Länder droht eine Aufweichung der völkerrechtlichen Normen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt wurden, um den Einsatz militärischer Gewalt zu beschränken.
Die Lobbybriefaktion wird voraussichtlich bis zum 29. Januar 2022 laufen. An diesem Tag endet die Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90 / Die Grünen.
Der Antrag zum Thema Drohenenbewaffung (A-06) wird voraussichtlich am Freitag den 28. Jannaur unter den Tagesordnungspunkt 3 "Aktuelle Debatte" behandelt, was jedoch wahrscheinlich nicht vor 19 Uhr der Fall sein wird. Beginnen wird der Parteitag um 17 Uhr (nur digital; Livestraem zum Parteitag (BDK): https://bdk.gruene.de/)
Antrag A-06: https://antraege.gruene.de/47bdk/aufruestungsspirale_beenden_entschiedene_friedenspolitik_statt_drohen_-27683
Arbeitskreis gegen bewaffnete Drohnen: http://drohnen.frieden-und-zukunft.de
Bundeswehr: Debatte: Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr?, Quelle: https://www.bmvg.de/de/debatte-bewaffnete-drohnen
Drohnen-Kampagne: https://drohnen-kampagne.de
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Textsammlung zum Thema Drohnen, Quelle: https://www.ecchr.eu/thema/drohnen/
Factsheet: Drohnen – Überwachen auf Töten auf Distanz, IMI und BvS Stiftung, Quelle: https://www.imi-online.de/download/Fact-Sheet-Drohnen-Feb19.pdf
HBS, High-Tech-Kriege - Frieden und Sicherheit in den Zeiten von Drohnen, Kampfrobotern und digitaler Kriegsführung, Berlin 2013, Quelle: https://www.boell.de/sites/default/files/endf_high-tech-kriege.pdf
IPPNW Report, HumanitäreFolgen von DrohnenEine völkerrechtliche, psychologische und ethische Betrachtung, Feb. 2019, Quelle: https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Drohnenreport_2019.pdf
IMI, Text zum Thema Drohne, Quelle: https://www.imi-online.de/themen/drohnen
Liste mit Referent*innen zum Thema: https://www.friedenskooperative.de/referenten?thema=64
Video "Drohnendebatte: Kampfdrohnen für die Bundeswehr?" vom 17.09.2020:
Filme: kaufen / oder streamen
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Film „Geheimer Krieg“ (Dokumentarfilm von Christian Fuchs und John Goetz Panorama – die Reporter, D2013 NDR, 43:53 Min
https://www.friedensdekade.de/shop/film/ -
National Bird (Dok-Film, USA/D 2016, von Sonja Kennebek)
https://de.wikipedia.org/wiki/National_Bird
Deutscher Trailer: Film Kritik bei epd Film:
https://www.epd-film.de/filmkritiken/national-bird
Videos / Beiträge: online abrufbar
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„Deutschland: Schaltzentrale im weltweiten Drohnenkrieg“ D 2014, NDR Fernsehn, Beitrag für das Magazin „Panorama“ (12:03)
https://www.youtube.com/watch?v=FWuMCB8Dv5o -
„Drohnenkrieg - Tod aus der Luft“ D 2017 für ZDFinfo, (44:00) https://www.youtube.com/watch?v=nI2gwDzhcSg
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„Kampfdrohnen im Kriegseinsatz“, D/F 2016 für arte (52:20)
https://www.youtube.com/watch?v=GARqwjY5m2M -
US-Drohnenkrieg: Regisseurin Sonia Kennebeck über "National Bird" - Jung & Naiv: Folge 307, D2017 (56:58)
https://www.youtube.com/watch?v=ud5OWgiaQbw -
„Friedensarbeit gegen Drohnen“, D2020, im Rahmen der Reihe Friedensfrage mit Clemens Ronnefeldt bei Transparenz TV, Studiogast: Elsa Rassbach, Code-Pink
https://www.youtube.com/watch?v=mWup5EOuQQ4 -
Vortrag als Video „Ferngesteuerte Kriegsführung | Wie "neutral" sind Drohnen?“ mit Prof. Dr. Jutta Weber (Uni Paderborn), Veranstaltung der HBS Sachsen-Anhalt
https://www.youtube.com/watch?v=fw8NDPsWBys -
Vortrag“Drohnenkrieg - Tod aus heiterem Himmel“ mit Medea Benjamin (Code Pink, USA), D 2013, Veranstaltung der RLS (Vortrag in deutscher Übersetzung)
https://www.rosalux.de/dokumentation/id/14090/
Stand: Januar 2022
Wir behalten uns vor, die Briefvorlage aufgrund aktueller politischer Entwicklungen anzupassen.